Schon seit Jahren wollten wir auf einem Fluß mitten
durch die Prärie fahren. In diesem Juni machten wir
den Traum wahr - und lernten einen einsamen und
landschaftlich großartig gelegenen Fluß kennen: den
Missouri River in Montana. Der Wasserstand war gut,
die Strömung stetig. Obwohl Wind aus dem Westen uns
vor sich herschob, paddelten wir meist gemütlich mit.
Da es die Witterung erlaubte ohne Hemd zu fahren,
konnten wir die Sonnenstrahlen angenehm warm auf
unserer Haut fühlen. Erstaunt waren wir vor allem über
die vielen Wildtiere am Ufer. Sogar einen Luchs
bekamen wir zu Gesicht, aus nur 10 Metern Entfernung,
als wir eine der kalkweißen Klippen bestiegen, die den
Fluß einrahmen.
Dann kam die lange Fahrt per Auto in den Norden und
die Befahrung des Nisutlin River im Yukon. Höhepunkt
dieser Tour war die Einfahrt in die Nisutlin Bay. Der
fließende Übergang des Flusses in den großen Teslinsee
begeisterte uns durch das langsame Wegfallen allen
festen Bodens und den vielen nistenden Vögeln: Gänse,
Enten, Loons und viele andere belebten das Delta mit
ihrem Geschrei.
Nun war der Thirty-Mile-River an der Reihe. Dieser
Teil des Yukon besticht durch glasklares,
smaragdgrünes Wasser, guter Strömung und schöner Linie
in lieblicher Landschaft. Da Zeit genug zur Verfügung
stand, übten wir uns im Herstellen von
Steinzeitwerkzeugen wie Klingen, Pfeilspitzen und auch
einem Steinbeil, mit dem wir einen 10 cm dicken Baum
fällten. Oder wir trieben einfach nur in der Strömung
und genossen die Sonne. Der Yukon bietet zusätzlich
zur Wildnis auch Geschichte. Längs der Ufer trifft man
immer wieder auf Relikte und Orte aus der
Goldrausch-Zeit. Einige der Hütten sind noch in
beachtlich gutem Zustand und sogar einen 100 Jahre
alten Schaufelraddampfer kann man bewundern. Natürlich
kletterten wir auf die alte Steuer-Brücke und reisten
in unseren Gedanken bis hinunter ans Meer.
Anschließend gings zum Pelly River.Er verläßt in Faro
die Zivilisation und fließt eine Woche lang durch
bezaubernde bergige Landschaft, um im Granite Canyon
seinen schäumenden Abschluß zu finden. Gleich
unterhalb liegt eine tolle Stelle zum Hecht angeln!
Frischer Fisch verwöhnte immer wieder unseren Gaumen,
auch am Steward River. Höhepunkt hier war der Stop an
der Maisy May Farm, einer Ansammlung von gut
erhaltenen Blockhütten, in der vor etwa 20 Jahren
Mitglieder einer religiösen Gruppe versucht hatten,
fern der Zivilisation und ihrer negativen Einflüsse,
ein autarkes Leben zu führen, basierend auf Viehzucht,
Getreide und Ledergerbung. Die Atmosphäre dort war
fast mystisch, das große, noch vollkommen intakte
Wohnhaus diente uns als Unterkunft und der alte
Holzofen zum Kochen und Brot backen. Die Badewanne war
der ideale, weil mückenfreie Platz, zu einer Dusche
aus einem eisernen Eimer. Die gesamte Siedlung lag da,
als hätte man sie eben mal für ein paar Tage
verlassen, das Gras war hoch genug für den Schnitt und
auch im Lebensmittellager befanden sich noch ein Sack
mit intaktem Weizen und einer mit Leinsamen. Nur die
Stallungen und das Gerbhaus waren schon
zusammengefallen.
Die Krönung des Sommers sollte die Tour zum Mountain
River werden. Eine Buschmaschine transportierte uns in
die wilde Einsamkeit der Mackenzie Mountains.
Startpunkt war der Norseman Lake, oberhalb der
Baumgrenze auf etwa 1300 m Höhe gelegen. Am ersten
Morgen schon wurden wir duch das laute und
langanhaltende Heulen eines gigantischen Wolfes
geweckt, nur ein paar hundert Meter von unserem Lager
entfernt. Das war sein uriger Willkommensgruß im Reich
der Wildnis.
Noch am gleichen Tag erstiegen wir den ersten Berg,
direkt oberhalb unseres Camps am See. Die dort
weidenden Karibous waren so neugierig, daß sie sich
ganz nahe an uns herantrauten und mit lustigen
Sprüngen ihre weißen Hintern durch die Luft warfen. In
der gleichen Nacht wurden wir durch ein Huhn geweckt,
welches zwischen unseren Zelten herumflog und dessen
Balzruf das italienische Wort prego (bitte)
enthielt. Prego, prego! hallte es über den stillen
See. Wir amüsierten uns köstlich.
Der Transport unseres schweren Gepäcks zum Fluß war
mühsam, aber wir ließen uns Zeit und gutes Essen
stärkte uns.
Von nun an folgten Bergsteigtage, Bootstage, und
Rasttage, die meist auch zum Brot backen genutzt
wurden. Die Witterung war außergewöhnlich kühl für die
Gegend und die Jahreszeit, so daß wir die sonnigen
Tage besonders genossen und auch für unsere und der
Kleidung Wäsche nutzten. Bald schon hatten wir uns
perfekt aufeinander eingespielt, alles an Land oder
auf dem Wasser lief absolut reibungslos und wir hatten
viel Spaß. Die Bergtouren taten unseren Beinen gut,
die Landschaft ist atemberaubend in ihrer Wildheit und
Einsamkeit.
Einmal bescherte uns starker Regen ein besonders
eindrückliches Erlebnis. Ein Bach, an dessen Mündung
wir unser Lager aufgeschlagen hatten, begann gegen
Abend immer mehr zu einem reisenden Ungetüm
anzuwachsen - und am nächsten Morgen war er vollkommen
trocken. Irgendwo weiter oben hatte er sich ein neues
Bett durch den Wald gewählt und mündete nun 200 Meter
flußabwärts in den Mountain River. Diese vom Menschen
weder gelenkte noch beherrschte Natur begeisterte uns
an immer wieder aufs Neue. Auf einer besonders schönen
Bergtour entdeckten wir unzählige wunderschöne
Fossilien von Korallen, Fischen und anderen
Meeresbewohnern, aus einer Zeit, die 350 Millionen
Jahre zurückliegt.
Der Wasserstand des Flusses war dank der Regenfälle
hoch, so daß wir auf seiner gesamten Länge Wildwasser
bis zum 3 Schwierigkeitsgrad antrafen und in einem der
7 Canyons, die wir durchfuhren, auch eine Stelle den
4. Grad erreichte. Die Canyons waren spektakulär, der
Farbenreichtum der Felsen lockte zum Fotografieren.
Die Flußfahrt war aufregend und nie langweilig. Wir
genossen die Aktion, und ebenso die Zeit, die wir nur
entspannt auf dem Boot saßen und die Landschaft an uns
vorbeitrieb. Als wir den Mackenzie River erreichten,
waren auch die Bären da, prächtige Burschen mit
zotteligem Fell. Nachdem der Wolf uns begrüßt hatte,
war es nun ihre Aufgabe, uns zu verabschieden.
Alle Rechte an Bild und Text liegen bei dem Author Stefan Renzler
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