Erst mitten durch die Walachei und dann ab in die Karpaten...
Eine Radreise durch Transsilvanien und die Walachei (Rumänien)

von Natalie Hesse & Markus Müller.


 

Die Walachei liegt rund um Rumäniens Hauptstadt Bukarest und erstreckt sich bis zum südlichen Karpatenbogen.. Hinter diesem Karpatenbogen findet man dann eine große hügelige Hochebene nämlich Transsylvanien (zu deutsch: Siebenbürgen). Während die Walachei mit ihrer Hauptstadt Bukarest (früher war es Targoviste) eines der ältesten rumänischen Fürstentümer war, gehörte Transsylvanien lange zu Ungarn (auf Ungarisch : Erdely) und weist deshalb noch heute einen relativ hohen Anteil an ungarischer Bevölkerung auf. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb die einzig brauchbare Karte dieser Region, die in Deutschland zu haben ist, aus Ungarn stammt. Es existiert zwar ein wesentlich genauerer rumänischer "Tourismus-Atlas", der aber leider lediglich in der transsylvanischen Stadt Brasov käuflich zu erwerben ist.

Zur Verständigung: In den größeren Städten sprechen manche Leute (vor allem jüngere) Englisch, in ungarisch besiedelten Gegenden natürlich ungarisch, z.T. aber auch russisch und in deutschen Siedlungsgebieten sprechen einige noch deutsch. In ländlichen Gebieten sind zumindest rudimentäre rumänische Sprachkenntnisse von Vorteil. Rumänisch ist, wie der Name vermuten läßt, eine romanische Sprache, in die sich allerdings noch andere Sprachelemente gemischt haben (slavisch, türkisch). Wer bereits eine romanische Sprache spricht, kann sich nach einer Weile halbwegs durchschlagen, versteht in einem Gespräch aber höchstens ein Drittel dessen, was gesprochen wird.

Ausgerüstet mit unserer ungarischen Karte, einem rumänischen Reise- und Sprachführer, unseren Rädern und allerlei nützem und unnützem Gepäck begaben wir uns Anfang Juli zu dritt auf die Reise und zwar erst einmal mit dem Flugzeug nach Bukarest. Über die Vor- und Nachteile einer Flugreise will ich mich hier jetzt nicht auslassen, bei meiner nächsten Rumänienreise werde ich es jedoch vorziehen mit dem Zug über Ungarn einzureisen.
In Bukarest angekommen erwartete uns eine Hitzewelle, die den gesamten Balkan seit einigen Monaten heimsuchte und die uns in der ersten Tourenwoche schwer zu schaffen machte. Nach der ersten Übernachtung (Zelten im Eisenbahnererholungsheim Snagov), fuhren wir auf zum Teil schotterig-sandiger Straße durch malerisch bunte Straßendörfer, gesäumt von mit Früchten behangenen Mirabellen- und Aprikosenbäumen. Die Ernte dieser Bäume wird am Straßenrand von alten Frauen oder auch Kindern zusammen mit Tomaten, Gurken und Zwiebeln feilgeboten, was dafür sorgt, daß von Hitze geplagte FahradfahrerInnen dort köstliche Vitamine auftanken können, ohne vorher einen Laden suchen zu müssen (in dem es ohnehin nur Konserven zu kaufen gibt). Die Landschaft ist eben und zeugt von der Haupteinnahmequelle der Region: Sonnenblumen- und Maisfelder soweit das Auge reicht.
Am Abend erreichten wir die Großstadt Ploiesti, an deren Rand laut Karte ein Campingplatz liegen sollte. Durch Nachfragen erfuhren wir, dass es diesen irgendwann einmal auch gegeben hatte, jetzt aber leider.... So erging es uns mit den meisten Campingplätzen, die wir im Laufe unserer Reise ansteuerten: einer war zur Müllkippe, der nächste zur Tankstelle umfunktionniert worden und die noch existenten sahen aus, als seien sie seit mindestens 5 Jahren nicht mehr gewartet, geschweige denn geputzt worden. Mit viel Glück gab es manchmal fließendes Wasser, zuweilen sogar warmes. Wir taten also das, was in Rumänien fast alle tun, offiziell aber verboten ist: wir suchten uns ein Plätzchen in einem Wäldchen (die Bäume verdeckten den idyllischen Blick auf die Ölraffinerie) und schlugen dort unbehelligt und kostenlos unser Lager auf.

Tags drauf ging es ins Karpatenvorland, erst leicht, später stärker bergauf. Wir besuchten etliche Dorfbrunnen (von denen es hier erfreulich viele gibt), kippten uns literweise Wasser in den Hals und über den Kopf, radebrechten mit neugierigen Dorfbewohnern und suchten uns in der schlimmsten Mittagshitze ein schattiges Pausenplätzchen. Die Straße war schlagloch- und kurvenreich, aber asphaltiert und nur mäßig befahren von klapprigen Autos und LKWs, aber vor allem von Pferdefuhrwerken, die so beladen waren, daß mitunter unter einem riesigem Heuhaufen nur noch die staksigen Beine des Pferdes zu sehen waren.

Eselstraße

Pferde waren überhaupt überall zu sehen. Sie grasten am Dorfrand, trotteten allein oder zu vielen am Straßenrand entlang oder warteten auf den Fahrer vor der Kneipe. Motorisierte Gefährte machen sich vor allem durch lautstarkes Hupen in den unterschiedlichsten Tonvariationen bemerkbar, dieses Jahr schienen vor allem amerikanische Polizeisirenen im Trend zu liegen. Zumindest ist das Hupen ein eindeutiges Signal dafür, daß ein hochrangiges Verkehrsmittel im Anmarsch ist und niedrige Elemente, wie Fahrräder zum Beispiel, Platz zu machen haben. Bei stark befahrenen Straßen ist deshalb eine gewisse Nachgiebigkeit auf jeden Fall sehr gesundheitsförderlich.
Die Nacht verbrachten wir auf einem an einer Pension angeschlossenen Campingplatz in dem Ort Cheia, kurz vor dem Karpatenpaß Pasul Bratocea. Platz und Pension sind gemütlich und sauber, und die Besitzer sehr freundlich und redelustig. Den angebotenen Obstschnaps Tuica sollte man jedoch in Hinblick auf den nächsten Tag lieber nur in Maßen genießen.
Der erste Karpatenpaß war einfach zu fahren, verkehrsarm und bot idyllische Blicke auf eine waldreiche Berglandschaft, die von den zaghaften Tourismusversuchen (noch) nicht so verbaut und überlaufen ist wie die Alpen. Wenn bloß diese Hitze nicht gewesen wäre... Wir maßen an einer Stelle 44 Grad im Schatten!
Nach Überquerung des Karpatenbogens erblickt man die transsylvanische Hochebene. Wer an finstere Wälder, furchteinflößende Burgen und düstere Gestalten denkt, wird hier leider enttäuscht. Die Landschaft ist hell und freundlich und ähnelt eher dem Allgäu als einer Szene aus "Tanz der Vampire". Die Dörfer sehen wie verfallene schwäbische Orte aus, in denen man die Zeit seit vielleicht 80 Jahren angehalten hat, das Storchennest auf dem Kirchendach oder der Baumkrone eingeschlossen. Die Orte sind zwar in einem oft traurigem Zustand, hier und dort wird jedoch emsig restauriert, repariert und gestrichen.
Wir übernachteten in einem Gästehaus einer Kirchenburg in Prejmer, das dem Pfarrhaus der evangelischen Kirche angeschlossen ist. Kirchenburgen gibt es hier in nahezu jedem zweiten Ort, manche mehr, manche weniger gut restauriert. Sie sind eine transsylvanische Besonderheit: Die deutschen Siedler, die sich hier seit dem Mittelalter niedergelassen hatten, erhielten von der ungarischen Krone das Recht befestigte Orte zu bauen. Bei denen sich häufenden Tartareneinfällen (später waren es dann die Türken) beschloß man die Kirchen zu befestigen und das Dorf für die Zeit des Überfalls in diesen befestigten Mauern einzuquartieren. Da die deutschen Gemeinden durch zahlreiche Auswanderungen enorm geschrumpft sind, haben die Pfarrhäuser herbergsähnliche Gästehäuser eingerichtet, in denen - überwiegend deutsche - Urlauber günstig ihre Ferien verbringen können. Die Gästehäuser sind sehr unterschiedlich. In manchen schläft man sehr hochherrschaftlich im geräumigen Federbett, in anderen muß man sich die Unterkunft mit einer Familie von Wanderarbeitern teilen, die glaubt, daß Leute die so reich sind wie die Deutschen und trotzdem mit dem Fahrrad durch die Gegend fahren, mindestens geistesgestört sein müssen. Es empfiehlt sich aber - schon alleine der Atmosphäre wegen - das ein oder andere Gästehaus einer Kirchenburg anzusteuern und die alten ehrwürdigen Mauern auf sich wirken zu lassen.
In den folgenden Tagen kreuzten wir kreuz und quer durch Transsylvanien und besuchten Kirchenburgen, malerische mittelalterliche Städte wie Sighisoara (Schäßburg) und Mediasch, die schon alleine deshalb sehenswert sind, weil es in ganz Deutschland keine Stadt diesen Alters mehr gibt, die so gut erhalten ist, wie diese. In größeren Städten gilt es zwar den unvermeidlichen Plattenbau- und Industriegürtel auf dem Weg in die Innenstadt zu durchqueren, was vor allem wegen des hohen Verkehrsaufkommens nicht die reine Freude ist, aber es lohnt sich. Brasov (Kronstadt) ist zum Beispiel eine solche Stadt. Sie hat eine sehr gut restaurierte Innenstadt, verwinkelte Gäßchen und langsam in Schwung kommenden Tourismus vorzuweisen. Ebenfalls sehenswert ist Alba Iulia, eine alte Universitätsstadt römischen Ursprungs. Hinter Brasov verfuhren wir uns übrigens im Wald. Dort trafen wir auf einen Mountainbiker aus Brasov, der uns nicht nur zu unserem Zielort führte, sondern auch die fahradtouristischen Besonderheiten der Gegend zeigte. Der Höhepunkt des Tages bestand darin eine Skipiste hinunterzufahren, um die in schweißtreibendem Anstieg erklommenen Höhenmeter in Sekundenschnelle wieder herunter zu schnellen. Am nächsten Tag hatten wir dann für die nächsten zehn Tage einen Mitreisenden und Dolmetscher, unserer Radfreund sprach nämlich auch Englisch. Außerdem kannte er sich in der Umgebung Brasovs sehr gut aus, kannte die schönsten Fahrradrouten und Plätze an denen man problemlos zelten konnte.
Natürlich besuchten wir die "Draculaburg" in Bran. Ungeachtet der Tatsache, daß die Person, die für Dracula Pate gestanden hat, ein walachischer Fürst namens Vlad Tepes (sein Vorgänger hieß Dracul), diese Burg nie gesehen hat, ist dort ein beachtlicher touristischer Rummelplatz entstanden. Zu verdanken ist dies dem "Dracula-Erfinder" Bram Stoker, den die Braner Burg zum Schreiben der Vampirgeschichte inspiriert hat. Der "echte" Dracula hatte, wie alle walachischen Fürsten, seinen Wohnsitz in der fürstlichen Burg in Targoviste, doch dazu später.
Am Ende unserer Transsylvanienrundtour stand die Stadt Sibiu ( Hermannsstadt), die sehr sehenswert ist. Leider konnten wir die Sehenswürdigkeiten der Stadt nur bedingt bewundern, weil es dort anfing in Strömen zu regnen und anderthalb Tage lang auch nicht mehr damit aufhörte. Als wir uns gerade überlegten unsere Fahrräder gegen Neoprenanzüge auszutauschen, klarte es auf und wir konnten losfahren. Wir hatten nach schlechten Erfahrungen auf vielbefahrenen Straßen beschlossen Nebenstrecken zu bevorzugen, so schlecht der Zustand dieser auch sein möge. Der Zustand unserer Route WAR schlecht. Wir versanken im Schlamm, trugen unsere Räder durch seenähnliche Pfützen und kratzten den Matsch von unseren Bremsen und Schutzblechen. Zur Belohnung bekamen wir eine landschaftlich wunderschöne, ruhige Strecke in einer Gegend in der sich Pferd und Ziege gute Nacht sagen. Unser Ziel war der Einstieg zum "Transfogarasch Highway", so benannt, weil er durch das Fogarasch-Gebirge, eins der höchsten der Karpaten, führt. Zermürbende 15 Kilometer später standen wir auf einer hübsch gelegenen Wiese mit Blick auf unser morgiges Ziel, einen schneebedeckten Gipfel, und schlugen dort zwischen Brombeersträuchern und Walnußbäumen unsere Zelte auf.

Transfogarasch Highway

Der nächste Morgen war regenfrei und kühl - wie geschaffen für einen Anstieg auf 2050 Meter, so hoch ist der Paß nämlich den es zu überqueren galt. Die Straße ist in tadellosem Zustand und anfangs schlängelt sie sich in sanfter Steigung den Berg hinauf. Wir machten viele Pausen, bewunderten die Aussicht und ließen es ruhig angehen. Die letzten 300 Höhenmeter müssen recht steile Serpentinen bewältigt werden, anfeuernde Zurufe aus vorbeifahrenden Autos kommen da wie gerufen. Oben angekommen erwarteten uns ein klarer Bergsee, eine Schutzhütte, eine Bergrettungsstation ,Wanderer, Schneereste, fliegende Händler und etliche Wochenendurlauber aus Bukarest, die sich auf einer kleinen Spritztour durch die Karpaten befanden. Verglichen mit ähnlichen Orten in Deutschland, hält sich der Rummel aber sehr in Grenzen. Dann geht es durch einen stockfinsteren, schlaglochübersäten Tunnel durch den Berg und an der anderen Seite in rasantem Tempo bergab. Wer sich nicht dem Geschwindigkeitsrausch überläßt, der kann eine atemberaubende Aussicht auf verschiedene Karpatengipfel, breite Täler und sehenswerte Wasserfälle genießen.

Let the sunshine ...

> Etliche Höhenmeter tiefer gelangten wir an einen riesigen smaragdgrünen Stausee, eines der letzten ambitionierten Ceaucescu - Großprojekte, das den entsprechenden Teil an Menschenleben gefordert hat. Die Transfogarasch Straße gehört übrigens auch dazu. Am See befinden sich ein Hotel und ein Campingplatz, an denen aber am Wochenende halb Bukarest Urlaub macht.

In der Nacht begann es derart heftig zu regnen, daß unser rumänischer Freund mitsamt Zelt absoff und ein gutes duzend Frösche in unserem Innenzelt Zuflucht suchen. Wir konnten den Stausee also nicht gebührend bewundern, während wir unsere Räder über eine unbefestigte, schlammige und holprige Straße an seinen Ufern entlangquälten. Wenige Stunden später und viele Höhenmeter tiefer kam die Sonne wieder hervor und wir saßen schon wieder am Straßenrand und vertilgten gutgelaunt einen Obstimbiß. Unser Tagesziel war Curtea de Arges, eine alte Stadt mit der berühmtesten Klosteranlage mit Rumäniens. Wir besichtigten die orthodoxe Kathedrale und begaben uns auf die Suche nach einem Fahrradladen. Einer von uns hatte nämlich in den letzten Tagen einen Riß in seiner Hinterradfelge entdeckt, der während der Abfahrt des letzten Tages eine bedenkliche Größe erreicht hatte. Eine einzelne Felge war aber in Curtea de Arges nicht zu haben. Also fuhren wir in die nächstgelegene Großstadt Pitesti (ca. 50 km). Dort wurden wir auf einem bazarähnlichen Straßenmarkt, auf dem es von Fußball T-Shirts über Haushaltswaren und gebrauchte Reifen und eben Felgen alles gab, endlich fündig und konnten nach erfolgreicher Umspeichaktion unseren Weg am nächsten Tag fortsetzen.
In Campulung, unserem nächsten Ziel trennten wir uns von unserem brasover Mitfahrer und traten über ein sehr enges landschaftlich wunderschönes Tal den Rückweg nach Bukarest an, natürlich nicht ohne der ehemaligen walachischen Hauptstadt Targoviste einen Besuch abzustatten. Targoviste ist nicht nur als Fürstensitz berühmt, sondern hat 1989 auch als Hinrichtungsstätte des Ehepaars Ceaucescu von sich reden gemacht. Abgesehen von einer Ausgrabungsstädte und der fürstlichen Burgruine, ist die Stadt wenig anziehend. Stinkende Industrieanlagen und schlammige, von brüchigen Plattenbauten gesäumte Straßen bestimmen das Stadtbild. Wir besichtigten die "echte Draculaburg", jener Vlad Tepes wurde vor allem durch seine Grausamkeit zur Legende, und steuerten Bukarest an, um unseren Heimflug am nächsten Tag zeitig zu erreichen. Drei Wochen und 1300 Kilometer nach Ankunft waren wir also wieder am Ausgangsort angelangt. Eine Besichtigung Bukarests sparten wir ein, wir hatten die Nase voll von Großstädten und ihrem Verkehr und vertrödelten die letzten Stunden lieber im Umland.

Rumänien ist auf jeden Fall ein lohnendes Ziel für Reiseradler, die einen vielfältigen Urlaub verbringen wollen. Und wer weiß, vielleicht geht es nächstes Jahr noch einmal nach Rumänien - in den Nordteil der Karpaten diesmal und zwar über Polen und/oder die Ukraine!

Natalie Hesse

Ausführliche Informationen rund ums Radfahren in Rumänien gibt's im Internet unter www.bikeromania.de,
über unsere Tour speziell bei Markus Müller .

Nach oben
Nach oben
Nach oben
Nach oben
Nach oben
Nach oben
Nach oben
Nach oben
Nach oben


Weitere Reiseberichte:

Mit dem Rad durch die Ostkarpaten
Ireland by bike
Kanada zu Wasser
How to drown in Ireland
Mallorca on foot
Deutschland - Norwegen per Rad
Karelien per Rad
Schottland
Pyrenäen